Die Digitalisierung unserer Gesellschaft schreitet in den letzten Jahren immer weiter voran. Mittlerweile findet auch in den Schulen in Deutschland Schritt für Schritt ein Wandel statt. Smartboards ersetzen die herkömmlichen Tafeln, Tablets lösen Papier und Stift ab und Unterrichtsmaterialien werden zunehmend digitalisiert. Im Rahmen der Corona-Pandemie kam es außerdem zu einem Digitalisierungsschub, der viele innovative und kreative Konzepte hervorgebracht hat (vgl. KMK 2021). Während oft von Digitalisierung die Rede ist, taucht auch immer wieder ein weniger bekannter Begriff auf: die „Kultur der Digitalität“.

Quelle der Abbildung: https://lernwerkstatt.digital/wie-kann-lernen-in-einer-kultur-der-digitalitaet-gelingen/

In diesem Beitrag möchte ich euch erläutern, welches Potenzial digitale Ansätze für Lehr- und Lernprozesse im Unterricht haben. Dazu stelle ich euch einige Ideen für den Sachunterricht vor, die sich größtenteils auch in andere Fächer integrieren lassen.

Viel Spaß auf der digitalen Reise und beim Entdecken der vielen neuen Möglichkeiten!

1. Was bedeutet eigentlich: „Kultur der Digitalität“?

Bevor wir tiefer in das Thema einsteigen, ist es sinnvoll, zunächst diesen Begriff zu definieren. Es ist jedoch schwierig, den einen Satz zu finden, der die perfekte Definition liefert, da es sich um ein sehr komplexes Thema handelt. Deshalb sollen hier einige Aspekte, die Felix Stalder zu diesem Thema zusammengetragen hat, einen ersten Einblick geben. Im Zentrum stehen drei Merkmale:

  1. Referenzialität
  2. Gemeinschaftlichkeit
  3. Algorithmizität

Referenzialität bedeutet, dass man auf bereits gemachte kulturelle Äußerungen zurückgreift und daraus eine individuelle Auswahl trifft (vgl. Stalder 2021, S.5). Im Anschluss erhält man dazu eine Resonanz von außen, meist aus dem Umfeld. Dadurch kommt es zu einer gemeinschaftlichen Bewertung (vgl. Stalder 2021, S.6). Als drittes Element folgt nun noch die algorithmische Auswahl durch maschinelle und automatisierte Prozesse (vgl. Stalder 2021, S.6/7). Durch diese Mechanismen entsteht eine neue kulturelle Ordnung und neue Handlungsmöglichkeiten ergeben sich (vgl. Stalder 2021, S.7). Anders gesagt:

„Digitalität ist das, was entsteht, wenn der Prozess der Digitalisierung eine gewisse Tiefe und eine gewisse Breite erreicht hat und damit eine neuer Möglichkeitsraum entsteht, der geprägt ist durch digitale Medien.“ (Stalder 2021, S.4)

Es geht demnach nicht nur darum, beispielsweise die Bücher in Papierform durch Ebooks zu ersetzen, also analoge Materialien auszutauschen. Stattdessen wird das Potenzial digitaler Medien erkannt und durch deren Einsatz findet eine Neugestaltung von Unterricht statt. Wenn wir es also schaffen, über die Prozesse der Digitalisierung hinaus zu denken, ergibt sich eine Vielfalt an neuen Möglichkeiten. Dann können viele Bereiche aus einem anderen Blickwinkel betrachtet werden und das auch im Unterricht an den Schulen.

2. Was bedeutet das für den Unterricht?

Die Digitalisierung schreitet, unterstützt durch die Corona-Pandemie, auch an den Schulen immer weiter voran. In einem Beschluss der Kultusministerkonferenz wird unter anderem ein Ziel benannt und zwar das:

„Lernen und Lehren in einer sich ständig verändernden digitalen Realität, die als Kultur der Digitalität insbesondere in kulturellen, sozialen und beruflichen Handlungsweisen deutlich wird und wiederum andere Digitalisierungsprozesse anstößt.“ (KMK 2021, S.3)

Auch hier wird deutlich, dass es nicht nur um den Ersatz der bekannten Materialien durch die digitalen Versionen geht, sondern die Veränderungen werden auch in den Handlungen deutlich und initiieren Entwicklungsprozesse. Die damit verbundenen vielfältigen Neuerungen sind bereits ab Beginn der Grundschule relevant. Eine tiefgehende Veränderung ist nur dann möglich, wenn alle beteiligten Akteure bereit dazu sind, Organisationsstrukturen, Unterrichtsgegenstände, Lehr- und Lernprozesse, Themen und Lernorte neu zu überdenken und zu gestalten (vgl. Hauck-Thum 2021, S.73). Ich möchte für euch in einem nächsten Schritt genauer auf die Möglichkeiten eingehen, die sich daraus für Lehr- und Lernprozesse ergeben.

3. Lehr-Lernprozesse neu betrachten

Der Einsatz digitaler Medien im Bildungsbereich eröffnet vielfältige Möglichkeiten für Lehrende und Lernende. Dennoch ändern sich Planung und Umsetzung von Unterrichtseinheiten nur, wenn unter anderem auch die Lehr- und Lernprozesse völlig neu durchdacht werden (vgl. Hauck-Thum 2021, S.79). Eine Möglichkeit dazu bieten kooperativ geplante und umgesetzte Projekte in Kleingruppen, die sich mit digitalen und analogen Angeboten beschäftigen (vgl. Hauck-Thum 2021, S.79). Dabei werden Kommunikation, Kooperation und Kreativität der Kinder gefördert.

Durch die Nutzung digitaler Medien ergeben sich neue alternative Handlungsoptionen und Lerninhalte können anders dargestellt werden (vgl. Cress 2022, S. 504). Dazu gehören unter anderem digitale Tafeln, Lernplattformen, Apps und Videos. Diese Liste ist beliebig erweiterbar und fast jeden Tag werden diese digitalen Tools weiterentwickelt und es kommen neue Varianten hinzu. Die Nutzung der Medien kann auch bei der Veranschaulichung komplexer Inhalte helfen und zu einem besseren Verständnis für schwierige Lerninhalte beitragen. Außerdem kann die veränderte Handhabung zu Veränderungen auf der sprachlichen Ebene führen (vgl. Cress 2022, S. 505). So werden beispielsweise zusätzliche Erklärungen notwendig, wenn ein Kind mit einer Lernapp nicht alleine zurechtkommt. Gleichzeitig kann in diesem Kontext aber auch das Feedback durch die Lehrkraft wegfallen, da viele Apps diese Funktion übernehmen (vgl. Cress 2022, S. 505). Um erfolgreich an neuen digital formierten Lehr- und Lernpraktiken teilzunehmen, bedarf es zudem neuer Fertigkeiten und Kompetenzen. Dazu gehören unter anderem die kompetente Handhabung und das Wissen zur Navigation verschiedener digitaler Medien (vgl. Cress 2022, S. 505).

Digitale Medien bieten somit einige Vorteile für Lernende und Lehrende im Bildungsbereich. Dennoch sollten vor dem jeweiligen Einsatz zum Einen die Lernausgangslage und zum anderen bereits bestehende Forschungsstände beachtet werden, um eine möglichst sinnvolle Implementierung zu gewährleisten (vgl. Hampf 2022, S. 168).

4. Sachunterricht neu gedacht!

Lasst uns nun versuchen, Lernen und Lehren gemeinsam neu denken, und zwar im Rahmen von Sachunterricht. Zum Beispiel fördert kooperatives Lernen diverse Kommunikationsfähigkeiten und kann bei richtigem Einsatz auch die Qualität und die Anwendbarkeit von Wissen erhöhen (vgl. Hampf 2022, S. 160). Gerade im Sachunterricht bieten sich viele Themen für Gruppenarbeiten an, wie zum Beispiel „Unsere heimischen Wälder“ oder „Das Sonnensystem“. Dabei lassen sich in allen Unterrichtsphasen digitale Medien integrieren. Zur Recherche können Tablets genutzt werden und währenddessen Erkenntnisse in geteilten Notizen gesammelt werden. Zudem vereinfachen gemeinsam erstellte Dokumente die Zusammenarbeit und das anschließende Präsentieren vor der Klasse.

Eventuell kann man das Thema aufgliedern in Teilthemen und, um bei unserem Beispiel zu bleiben, jeder Gruppe einen Planeten zuordnen. Nun können die Lernenden einer Gruppe die Ergebnisse in einem Dokument festhalten und beispielsweise eine Präsentation dazu erstellen. Denn zur Veranschaulichung und Visualisierung der Lernergebnisse bieten sich ebenfalls viele digitale Werkzeuge an. Diese erweitern den Methodenpool zur Produktion und Präsentation im Unterricht (vgl. Hampf 2022, S. 157).

Eine mögliche Ergänzung können aber auch Internetseiten und Programme sein, auf denen gemeinsam mit der Klasse Erkenntnisse und Überlegungen gesammelt werden. Auf diese Weise ist die Hürde für alle Kinder sehr niedrig, sich am Unterricht zu beteiligen und ihn aktiv mitzugestalten. Hier ist es zum Beispiel denkbar, Vorwissen über die Planeten abzufragen, um einen ersten Eindruck zu dem aktuellen Lernstand zu erhalten. Über den gleichen Weg ist es auch vorstellbar, Feedback zur Stunde und Anregungen für die folgenden Unterrichtseinheiten einzusammeln. Einen schönen Abschluss einer Einheit kann zudem ein digitales Quiz bieten. Dabei kann sowohl der Lernstand über inhaltliche Fragen kontrolliert werden, doch gleichzeitig besteht auch hier die Option, Feedback zu erhalten.

Die vorangegangen Überlegungen ließen bis jetzt offen, welche Programme und Apps man zur Umsetzung nutzen kann. Deshalb möchte ich euch im folgenden Abschnitt konkrete Beispiele vorstellen, die ihr in den Unterricht integrieren könnt.

5. Digitale Tools für den Einsatz im Unterricht

Diese Internetseiten und digitalen Werkzeuge sind für den Sachunterricht geeignet, viele lassen sich aber natürlich auch gut in anderen Fächern einsetzen:

  1. Padlet

Hier kann eine digitale Pinnwand erstellt werden, entweder von der Lehrkraft oder gemeinsam mit den Lernenden. Sie kann Texte, Bilder, Videos, Links, Sprachaufnahmen, Bildschirmaufnahmen und Zeichnungen erhalten.

https://padlet.com/

 

  • fragFINN

Hierbei handelt es sich um eine Suchmaschine für Kinder, die besonders für die Grundschule geeignet ist. Bei der Suche werden nur geeignete und von Medienpädagogen geprüfte Internetseiten angezeigt.

https://www.fragfinn.de/

 

  • Waldfibel

Die App vom Bildungsministerium für Ernährung und Landwirtschaft bietet die Möglichkeit eines interaktiven Waldspaziergangs, hilft bei der Identifizierung von Arten und stellt ein Waldquiz zur Verfügung. Sie stellt unter anderem eine hilfreiche Ergänzung bei Exkursionen dar.

https://www.bmel.de/DE/themen/wald/wald-in-deutschland/wald-app.html

 

  • Powerpoint und Keynote

Diese Programme sind vermutlich einigen bekannt, denn sie bieten eine gute Option, um den Lernenden die Möglichkeit zur Präsentation ihrer Ergebnisse zu geben. Darüber hinaus kann man sie auch zum Einstieg in ein Thema nutzen oder ein Quiz erstellen.

https://www.microsoft.com/de-de/microsoft-365/powerpoint?market=de

https://www.apple.com/de/keynote/

 

  • Book Creator

Die App ermöglicht es, kooperativ individuelle eBooks zu erstellen und diese abwechslungsreich zu gestalten. Man kann Texte, Zeichnungen, Bilder, Fotos, Grafiken, Videos und Audioinhalte hinzufügen und so auf kreative Weise Lernergebnisse festhalten. Besonders sachunterrichtliche Themen können damit gut veranschaulicht werden.

 https://bookcreator.com/

  • Wo liegt das?

Mit der App entdecken die Lernenden spielerisch Länder, Städte und Sehenswürdigkeiten und sie lässt sich als Teil des Einstiegs oder auch zur Wiederholung von bereits Gelerntem nutzen. Die Altersempfehlung liegt bei 10 Jahren.

https://www.internet-abc.de/eltern/test-lernapp-wo-liegt-das/

 

  • Oncoo

Damit lassen sich verschiedene Varianten kooperativen Lernens realisieren. Die Kartenabfrage ermöglicht zum Beispiel ein erstes Brainstorming, die Sammlung von Ergebnissen, aber auch Feedback kann damit eingesammelt werden. Für letzteres gibt es außerdem die Funktion „Zielscheibe“. Desweiteren gibt es ein Helfersystem und ein Lerntempoduett, die sich über den Bildschirm koordiniert werden können.

https://www.oncoo.de/

 

  • SachMeister – das bunte Sachkunde-Quiz

Diese App für die Grundschule ermöglicht einen spielerischen Zugang zu verschiedensten Themen im Sachunterricht von der zweiten bis zur vierten Klasse.

https://www.sachmeister.de/

 

  • Kahoot

In der App lassen sich digitale Quiz-Spiele und Multiple-Choice-Fragen erstellen. Sie bieten einen spielerischen Abschluss für eine Unterrichtsstunden oder -einheit. Es ist aber auch denkbar, dass die Lernenden selbst ein solches Quiz erstellen.

https://kahoot.com/de/kahoot-quiz-games/

Natürlich ist die Liste an dieser Stelle nicht vollständig, sondern beliebig erweiterbar. Sie soll lediglich einen ersten Einblick in die Vielfalt der Möglichkeiten geben.

Fazit!

Der Einsatz digitaler Medien bietet sehr viele Möglichkeiten für die Neugestaltung von Unterricht. Wenn wir uns darauf einlassen und im Sinne der Kultur der Digitalität nach Stalder (2023) über den Tellerrand hinausschauen, zeichnet sich großes Potenzial für neue Optionen im Unterricht ab. Die Möglichkeiten der digitalen Werkzeuge werden jeden Tag erweitert und können oft mit wenig Aufwand in den Unterricht integriert werden. Es geht nicht darum, jeden einzelnen Schritt und jede Phase des Unterrichts zu digitalisieren, sondern darum, dass der sinnvolle Einsatz digitaler Medien einen Mehrwert für den Unterricht darstellen kann.

Und nun wünsche ich euch viel Spaß beim Ausprobieren und vielleicht hat der eine oder andere selbst noch einige Ideen, die im Sachunterricht oder auch in anderen Fächern umgesetzt werden können.

Literaturverzeichnis

KMK (2021). Lehren und Lernen in der digitalen Welt. Die ergänzende Empfehlung zur Strategie „Bildung in der digitalen Welt“. kmk.org

Stalder, F. (2021). Was ist Digitalität? In U. Hauck-Thum & J. Noller (Hrsg.), Was ist Digitalität? Philosophische und pädagogische Perspektiven (S.3-8). J. B. Metzler

Hauck-Thum, U. (2021). Grundschule und die Kultur der Digitalität. In U. Hauck-Thum & J. Noller (Hrsg.), Was ist Digitalität? Philosophische und pädagogische Perspektiven (S.73-82). J. B. Metzler

Stalder, F. (2023). Kultur der Digitalität. In S. Ketels, Der Machtbegriff in Theorien der politischen Digitalökonomie. Zur Digitalisierung der Macht (S.61-76). Springer VS.

Cress, T. (2022). Schulische Digitalisierung und die Reorganisation von Unterrichtspraktiken. In C. Kuttner & S. Münte-Goussar (Hrsg.), Praxistheoretische Perspektiven auf Schule in der Kultur der Digitalität (S.501-507). Springer VS.

Hampf, V. (2022). Das digitale Produzieren und Präsentieren im Sachunterricht. In M. Haider (Hrsg.) & D. Schmeinck (Hrsg.), Digitalisierung in der Grundschule. Grundlagen, Gelingensbedingungen und didaktische Konzeptionen am Beispiel des Fachs Sachunterricht (S. 157-170). Verlag Julius Klinkhardt.

 

Von admin

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